v.l.n.r: Immer wieder lenkte Karl Breitung vom Geschichtsverein Reifenberg die Blicke der rund 60 Teilnehmer des Rundgangs über das Feldbergplateau in die Höhe. Schließlich spielen die Türme in der Geschichte des Großen Feldbergs eine wichtige Rolle, die die gemeinsame Veranstaltung der Geschichtsvereine Bad Homburg und Oberstedten zum Gegenstand hatte. Seine Kollegin Susanne Eckermann unterstützte die Führung durch großformatige historische Fotos, hier von der Einweihung des Taunusklubturms im Jahr 1902. Unterhalb des Sendeturms lassen sich noch Reste der in der NS-Zeit in den Berg gesprengten großen Sportfläche besichtigen. (Fotos: Markus Schmidt; 3.v.l.: Ulrike Förder)
Bei bestem Gipfelwetter führten am Samstag, dem 27.4.2024, Karl Breitung und Susanne Eckermann vom Geschichtsverein Reifenberg rund 60 Teilnehmer einer Exkursion des Vereins für Geschichte und Landeskunde Bad Homburg und des Geschichts- und Kulturkreises Oberstedten ungemein faktensicher über das weite Plateau des Großen Feldbergs. Hinzu kam noch eine Wandergruppe des Stadtarchivs Bad Homburg, die den Gipfel vom Gotischen Haus aus erklommen hatte. An mehreren Stationen informierten die beiden Experten die Besucher über die vielseitige Geschichte des Berges und gingen dabei auf die Bereiche Geologie, Bauten, Technik, Verkehr, Kultur, Sport und Politik ein.
Der Gipfel und die Gipfelstürmer
Das Gipfelkreuz von 2011 leitet die Besucher mittels eines QR-Code zu einer 80-seitigen Broschüre über die Geschichte des Berges. Wer will, kann sich auch heute noch (eine Tradition seit 1851) ins Gipfelbuch eintragen. Vor 300-400 Millionen Jahren entstanden, ist der Berg die höchste Erhebung des Rheinischen Schiefergebirges, 1850 erstmals geologisch untersucht, und zwar von Friedrich Rolle (Homburg). Seit der Frühen Neuzeit wurde er von viel Prominenz bestiegen, so 1525 von Erasmus Alberus, 1732 von Johann Senckenberg, 1763 von Goethe, ab 1780 auch von vielen Romantikern. Um 1800 war der Gipfel noch kahl, nur von Gras, Moos, Büschen und Gestrüpp besiedelt. 1878 versuchte man hier, Alpenpflanzen anzusiedeln, was bis 1937 in einem Versuchsgarten auf dem Kleinen Feldberg fortgesetzt wurde. 1879 unterschied man erstmals sprachlich zwischen „Großem“ und „Kleinem“ Feldberg, erläuterte Breitung. Hinauf zum Gipfel kam man zunächst nur auf Trampelpfaden. Ab 1815 aber wurden planmäßig Schneisen und Wege angelegt, um 1871 die „Kanonenstraße“ projektiert. In den 20er und 30er Jahren wurden die Wege mittels Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ausgebaut. Die Idee einer Art „Rigi-Bahn“ (1874) zerschlug sich aber.
Höhe und Herrschaft
Die amtlich vermessene Höhe des Großen Feldbergs beträgt 880,97 m (einschließlich der Erdaufschüttung von 2020 infolge des Baus der Busschleife). Das Plateau gehörte ab dem 14. Jahrhundert (damals Teil der Hohe Mark) sehr vielen Herrschaftsgebieten an, seit 1887 auch mit Niederreifenberg zum Kreis Usingen, dann zum Main-Taunus-Kreis und kam schließlich bei der Gebietsreform von 1972 mit Schmitten zum Hochtaunuskreis.
Die ersten Gebäude und der Turm des Taunusklubs
1860 entstand das alte Feldberghaus (1936 abgerissen). Zur Einweihung mit 2000 Teilnehmern sprach der Initiator August Ravenstein, der Frankfurter Turnvater. „Dem Wanderer zum Schutz, den Stürmen zum Trutz“ stand auf einer Tafel am Eingang. 1896 und 1887 kamen die Gasthäuser „Sturm“ (seit 1900 mit seitlichem Kapellentrakt) und „Walküre“ mit den Wirtsleuten Sturm und Ungeheuer hinzu. Diese Wirte hatten, so Breitung, keine Scheu, auch prominente Gäste wie General von Moltke und Prinz Edward von Wales so streng wie alle anderen zu behandeln. 1881 komplettierten eine Poststelle und eine Telefonleitung das Ensemble. Bis 1894 gab es hier einige Jahre sogar ein Fotografiehäuschen, Europas höchstgelegenstes Fotolabor. Des Weiteren entstand seit 1934 eine Hütte des Ski-Clubs Taunus.
1902 wurde der Turm des Taunusklubs, ein lang gehegter Wunsch des 1868 gegründeten Vereins, in Anwesenheit des Frankfurter Oberbürgermeisters Adickes eingeweiht. Mit Unterstützung von Kaiserin Friedrich und Kaiser Wilhelm II. wurde der Bau genehmigt. Der Turm hatte aber wenig Fortune, wusste Breitung zu berichten, denn bald nach der Errichtung schlugen mehrmals Blitze ein, und am 2.12.1943 raste bei dichtem Nebel ein Flugzeug in den Turm und explodierte (14 Tote und ein Schwerverletzter), und das, obwohl seit 1932 dort ein Leuchtfeuer installiert worden war. Nach dem 1. Weltkrieg hatten zudem französische Soldaten bis 1924 den Turm besetzt. Ab 1933 wehte hier das Hakenkreuz.
1947 räumte der Taunusklub die Trümmer fort, und der 1948 gegründete Hessische Rundfunk baute den Turm wieder auf und errichtete einen 53 m hohen Sendemast für UKW, der 1960 für Radio und TV auf
80 m erhöht wurde. Der Taunusklub kann seitdem parallel den Turm für seine Aktivitäten nutzen.
Wegen der Umstellung auf das digitale Verfahren wurde später ein neuer 116 m hoher Mast neben dem Taunusklub-Turm errichtet.
Technikstandort Großer Feldberg
Schon ab 1935 wurden aus Berlin geeignete Funkstandorte gesucht, dabei sei auch der Große Feldberg in den Blick geraten. Für die eingesetzte UKW-Technik mit einer Reichweite von 80-100 km erwies sich dieser als sehr günstig gelegen. So kaufte sich die Oberpostdirektion Frankfurt auf dem Berg ein, riss das alte Feldberghaus und das Haus Walküre ab und begann 1937 mit dem Bau des 56 m hohen Fernmeldeturms (Architekt: Hans Soeder, Bauhaus-Schule; Material: Mammolshainer Bruchstein und Lärchenholz). Am
1. Juli 1940 war dieser sendebereit, ging aber nie in regulären Betrieb, da er sogleich von der Luftwaffe beschlagnahmt wurde. 1944 wurden dort eine Flak und ein Störsender installiert. Deswegen griffen am 2.3.1945 16 amerikanische Jagdbomber an und zerstörten den Turm und anliegende Gebäude, nicht aber den Störsender. Nur 5 Untergeschosse blieben erhalten. „Der Turm wurde abrasiert.“
Der „Stummel“ wurde nach dem Krieg kurzzeitig von der US-Army als Funkstation genutzt und dann ab 1949 von der Deutschen Post für drahtlose Telefonie wiederaufgebaut. Der achteckige Aufbau beinhaltete die größte Dezimeterstation in Deutschland. Ab 1952 gingen hier NWDR und 1953 die ARD mit der TV-Übertragung der Krönung von Elisabeth II. auf Sendung. 1963 kam das ZDF hinzu. Bis zu 50 Mitarbeiter sorgten nun auf dem Feldberg für Telefon, Funk, Fernsehen und Rundfunk. 1991 übernahm die Telekom, 2007 wurde das analoge Fernsehen eingestellt, 2012 ging der Turm an die Deutsche Funkturm GmbH. Seit 2004 werden Rundfunk und Fernsehen durch die neuen Sendemasten des HR digital übertragen, veraltete Sendeanlagen wurden abgebaut. Der historische Sendekomplex samt innerer „Ehrenhalle“ wurde 1987 unter Denkmalschutz gestellt.
Der Feldberg eignete sich auch hervorragend für das Triangulationsverfahren, mit dem seit 1700 Entfernungen und Gebiete vermessen wurden. Eine Gedenktafel auf dem Plateau erinnert seit 1968 daran, dass der Trigo-Punkt „Grosser Feldberg“ (Messpfeiler von 1867) einst das Zentrum der Europäischen Gradmessung war.
Viel Betrieb auf dem Feldberg
Schon im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Große Feldberg, vor allem das Plateau, zu einem beliebten Ausflugsziel und ist bis heute ein beliebtes Ziel für Wanderer, Rad- und Motorradfahrer und andere Ausflügler. 1926 besuchten bereits 21.000 Wanderer den Feldberg. Viele Wettbewerbe endeten hier, erläuterte Breitung, so 1909 ein erster Geher-Wettbewerb und 1942 das erste Berg-Radrennen. Hier wurden die Sieger geehrt, so auch 1934 und 1935 beim Feldbergrennen für Motorräder, das von Oberursel bis zum Sandplacken verlief – mit 50.000 Zuschauern an der Strecke. Schon 1899 kam mit Heinrich Opel das erste Auto auf den Feldberg, die nächsten fünf Autos dann 1901 zur Grundsteinlegung des Taunusklubturms. Am 30.6.1930 seien zur „Befreiungsfeier“ (vorzeitiges Ende der Rheinlandbesetzung) 3000 Autos und 30.000-50.000 Menschen gezählt worden. „Der ganze Gipfel war ein Parkplatz.“ Von 1951-1961 gab es sogar eine Tankstelle auf dem Feldberg. Heute sind die Autos weitgehend vom Plateau verbannt. Auch Flugzeuge landeten 1931 auf dem Feldberg, um den Wronkerpreis zu erringen.
Der Brunhildisfelsen
Die Führung streifte auch den sagenumwobenen „Brunhildisfelsen“, an dem (einer von mehreren Erzählungen nach) Siegfried die schlafende Brunhilde geweckt haben soll. 1043 wurde der Quarzitfelsen erstmals als Grenzmarke des (Schloss-)Borner Sprengels erwähnt. Hier fand 1814 mit E.M. Arndt die große Gedächtnisfeier zum Sieg über Napoleon (1813: Völkerschlacht bei Leipzig) statt, bei der u.a. Pfarrer Georg Ludwig Müller aus Oberstedten als Redner auftrat. Arndt selbst sprach vom Felsen aus den „Feuerspruch“. Im Freudenfeuer wurden auch französische Schriften verbrannt. Bei der Besichtigung nutzte Petra Breitkreuz, die Leiterin des Frankfurter Stoltze-Museums, den Genius Loci, um ein Feldberg-Gedicht von Friedrich Stoltze (1816-1891) zum Besten zu geben. Dieser preist darin mit nationaler Inbrunst den weiten Blick vom Feldberg („als ob der Taunus eine Insel wäre“) in die deutschen Lande.
Am Felsen fanden auch Gottesdienste statt, und 1926 war dort die Aufführung eines „Freilichtspiels“ namens „Nibelungentreue“ geplant. Diese wurde aber von der britischen Besatzung wegen des darin enthaltenen „Deutschlandliedes“ untersagt. 1934 erfolgte stattdessen vor Ort die Aufführung des Stücks „Völsungenhorn“ des Friedberger Dichters Wilhelm Philipps.
v.l.n.r: Foto der Laufbahn am Feldberg von 1928. Der 1943 durch ein Flugzeug zerstörte Turm des Taunusklubs. Die Tankstelle (1951-1963). Reste der Sommerski-Kunststoffbahn (1972-1974) (Fotos: Sammlung Familie Eckermann)
Sport und Spiele am Feldberg
Am Hang beim Felsen fand bis 1933 das Feldbergfest, älteste Bergturnfest im deutschsprachigen Raum, mit Laufwettbewerben und Ballspiel statt. 1844 hatte Ravenstein das erste Feldbergfest mit 6000 Teilnehmern initiiert. Vom ehemaligen Turnplatz (Philipp-Röbig-Platz) aus hat man einen weiten Blick in Richtung Niederreifenberg und wähnt sich „über den Wolken“. 1933 wurde ein Teil des Hügels gesprengt und das traditionelle Sportplatzgelände abgetragen. Stattdessen diente der „höchstgelegene Turnplatz Deutschland“ ab 1934 dem NS-Regime für Kundgebungen und propagandistische Großereignisse.
Auch Skibetrieb gab es auf dem Großen Feldberg, von 1910-1953 sogar mit einer Sprungschanze des Skiclubs Taunus. Wegen zu weiter Sprünge musste die Schanze stillgelegt werden. Von 1904-1926 betrieb die „Nordbahn“ eine Rodelbahn. 1969 kam der Schlepplift der Nordbahnlift GmbH hinzu, an dem sich der Kreis mit 300.000 DM beteiligte (1988 durch Brand zerstört). Von 1972-1974 existierte zudem ein Sommerski-Hang mit Kunststoffpiste, deren Reste noch zu entdecken sind, aus heutiger Sicht eine Kuriosität.
Die Bergwacht und der Falkenhof
Dass die Bergwacht (1925 im Taunus gegründet) seit 1942 auf dem Feldberg residiert, seit 1959 mit fester Hütte, ist nicht zuletzt darin begründet, dass der Feldberg wegen der vielen sportlichen Aktivitäten einen Unfallschwerpunkt darstellt.
Ein besonderer Anziehungspunkt am Plateau ist seit 1965 nicht zuletzt der „Falkenhof“, die älteste Vogelaufzuchtstation in Hessen. Falken, Habichte, Bussarde, Adler u.a. Greifvögel ziehen jährliche viele Tausend Besucher an.
Am Ende langte die geführte Gruppe, um viel Wissen reicher geworden, wieder am Gipfelkreuz an.Gregor Maier bedankte sich im Namen der beteiligten Geschichtsvereine und des Kreisarchivs herzlich für die sachkundige und engagierte Führung mit vielen interessanten Details. Viel Applaus gab es auch von den rundum zufriedenen Gipfelbesuchern.
Bericht: Jutta Niesel-Heinrichs, Geschichts- und Kulturkreis Oberstedten e. V.